Der ein oder andere Leser wird sie noch erlebt haben, Oberkieferprothesen mit Gummisaugern. Zumindest bei der Unterfütterung von Oberkiefertotalen tauchen auch heute – wenn jedoch nur noch sehr selten – Prothesenbasen auf, die ursprünglich mit einem Sauger versehen waren. Zum Glück hat sich jedoch diese Technik nicht durchgesetzt, da sie mehr Nach- als Vorteile hat(te).
Schon immer war es eine Herausforderung, Totalprothesen im Oberkiefer vernünftig zu halten. Bevor im 19. Jahrhundert durch die Entdeckung von Gips bzw. Guttapercha die Funktionsabformung entwickelt wurde, waren Federn, die buccal im Seitenzahnbereich in die Prothesenbasen eingearbeitet wurden das Mittel der Wahl, um den schlechtsitzenden Zahnersatz auf den Oberkiefer zu drücken.
Luftdruckgebisse
Bereits mit den ersten geprägten Goldprothesen Anfang des 19. Jahrhunderts und erst recht dann mit dem Aufkommen von Kautschuk als Prothesenwerkstoff in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte sich dann die Vorstellung durch, dass Unterdruck an der Prothesenbasis den Halt soweit verbesserte, dass auf Federn verzichtet werden konnte. Dafür wurden unter der Prothesenbasis Hohlräume eingearbeitet, im Ober- wie im Unterkiefer, sogenannte Saugekammern. Noch im deutschen „Katalog zahnärztlicher Bedarfsgegenstände“ von S.S. White aus 1927 werden neben Kautschuk und den Bearbeitungswerkzeugen „Saugekammer-Schablonen, dick, dünn und assortiert“ in vier Formen und Größen angeboten. In der Folge stellte sich dann jedoch heraus, dass selbst feste stabile Schleimhaut in die Kammern proliferierte und daraus eher ein mechanischer Halt entstand. Diese Ausprägung kann man auch heute noch sehen, wenn Oberkieferprothesen mit einer großzügigen Hohllegung konstruiert werden.
Gummisauger
Trotzdem kam es zu einer Art von Weiterentwicklung in Form von Gummisaugern. In die Basalfläche der Oberkieferprothese wurde ein rundes Metallelement eingearbeitet, über das ein Gummisauger gestülpt wurde. Dieser Gummisauger sollte mit Unterdruck die Prothese am Gaumen halten, so wie heute noch ein Handtuchhalter auf einer glatten Fliese. Richtig eingearbeitet lag der Gummisauger dabei in einer Vertiefung der Prothesenbasis. Durch Speicheleinwirkung und wahrscheinlich auch die Unterdruckwirkung expandierten die Sauger jedoch regelmäßig über den Rand der für sie geschaffenen Vertiefungen. Das führte nach einiger Zeit zu entzündlichen Veränderungen der Schleimhaut bis zu Perforationen in die Kieferhöhlen und den Nasenraum. In der Literatur wird von Fällen berichtet, wo Patienten dabei schmerzfrei waren und erst zum (Zahn-)Arzt gingen, wenn „während der Mahlzeiten Speisen aus der Nase heraustraten“ (Rehm, 1937). In der Folge wurden Sauger im 20. Jahrhundert immer seltener eingesetzt. Schmitz schrieb in seiner 1941 veröffentlichten Abhandlung Wie vermeiden wir Fehler bei der Herstellung der totalen Prothese „… Verwendung des Gummisaugers, der aus den bekannten Gründen nur in dringenden Fällen berechtigt ist.“
Weitere Verbesserungen der Abformtechnik und -materialien, die Einführung der Kunststoffe, insbesondere der Methacrylate, sowie bessere Aufstellmethoden führten dann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts endgültig zum Aus der Gummisauger.
Abb. rechts
Hans Rehm, 1937
Aus „Vermeidung und Behebung von Mißerfolgen bei totalen Prothesen“
Magnete
Wurden Magnete anfänglich als Ersatz für die Gebissfedern mit abstoßender Polarität im Molarenbereich eingearbeitet, nutzten in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts einige Zahnärzte und Zahntechniker erstmalig auch die anziehende Wirkung zur Verbesserung des Prothesenhalts. Anfänglich wurden dafür Wurzelkappen aus Cobalt haltigen Legierungen gegossen und mehr oder weniger geschützte Magnete in Prothesen, anfänglich hauptsächlich im Unterkiefer, eingearbeitet. Zu den Pionieren gehörten u.a. Jackson und Shiner in dem USA, Dyna aus den Niederlanden, Technovent aus UK und Hartmut Stemmann aus Hamburg. Auch Stemmann hatte Mitte der 1970er Jahre mit Cobalt haltigen Legierungen angefangen zu experimentieren. Die wegweisenden Korrosionsuntersuchungen von Jakob Wirz aus der Schweiz führten jedoch bei ihm zu der Erkenntnis, seine Magnete in Titan einzuhüllen und mit einem Laser korrosionsgeschützt einzuschweißen. Konsequenterweise nannte er dieses System Titanmagnetics. Über seine Entwicklung und deren Fortschritte konnte er mehrfach auf den Jahrestagungen der AG Dentale Technologie berichten. Als er dort 1997 zum Ehrenmitglied ernannt wurde, würdigte die ADT u.a. „… seine bahnbrechenden und erfolgreichen Entwicklungen, insbesondere auf dem Sektor der Magnetprothetik …“.
Abb. rechts
Urkunde der „Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie e. V. “
an ZTM Hartmut Stemmann zum Ehrenmitglied.
Titanmagnetics
1996 war diese Entwicklung Grundlage für die Gründung der steco-system-technik GmbH & Co. KG. Seitdem ist das Portfolio an Magnetaufbauten für die dentale Implantologie stetig gewachsen. Inzwischen gibt es Titanmagnetics für über 100 Implantatplattformen, die jeweiligen kompatiblen Nachbauten nicht mitgezählt. Weitere innovativen Anwendungen wie die Magnet-Extrusion kamen hinzu. Aber auch als Hersteller von Bohrhülsen für die Implantologie hat sich Steco mittlerweile einen weltweit guten Ruf erarbeitet. Dazu demnächst mehr in einem weiteren Artikel.
Literatur
S.S. White Original-Fabrikate, Katalog zahnärztlicher Bedarfsgegenstände, Philadelphia 1927
Hans Rehm, Vermeidung und Behebung von Mißerfolgen bei totalen Prothesen, Mißerfolge, München-Berlin 1937
Wilhelm Schmitz, Wie vermeiden wir Fehler bei der Herstellung der totalen Prothese, Berlin, 1941
Heinrich Schnettelker, Die Geschichte der Kautschukprothese, Inauguarl-Dissertation, Freiburg 2001